Es fing einmal ganz harmlos an
Als man sich entschloß das Land mit übergrossen nuklearen Ostereiern zu verschandeln, kam die Frage auf, wo denn der radioaktive Abfall, den diese Strahlungsherde produzieren würden, wohl zu lagern wäre?
Die Antwort war quasi fazinierend einfach: "der Dreck kommt in eine ATOMMÜLLDEPONIE." So einfach wie die Antwort war, so erschreckend war sie auch, denn wer wollte schon Atommüll unter seinem Garten oder vor seiner Hütte gelagert wissen und so war der Widerstand der Bevölkerung dementsprechend vehement. Eine Lösung liess aber nicht lange auf sich warten. Findige, germanistisch versierte Politiker prägten den Begriff ENTSORGUNGSPARK. Und schon war dem strahlenden Dreck das Gefährlichste genommen. Man hatte keine Deponie mehr vor der Haustuer, sondern einen Park.
Harmlos ist das ganze nicht wirklich, im Hinblick auf den Atommüll, aber es war eine der wenigen Wortneuschöpfungen der damaligen Zeit. Über die Jahre hat dieses Phänomen aber auf so ziemlich jede Lebenslage übergegriffen. Lange fiel mir das nicht auf, denn nicht jedes Thema wird so in den Medien breitgetreten, wie die Stromerzeugung durch Atomkraftwerke, die übrigens heute als Reaktoren, unter der Vermeidung des Wortes Atom, bezeichnet werden. Störenfriede dieser Verharmlosung waren in den letzten Jahren die "Schnellen Brüter", die hier und da mal durch einen Störfall auf sich aufmerksam machten, oder das Atomkraftwerk in Tschernobyl, das den bis dato schwersten Unfall mit dieser Technologie zu verbuchen hat.
Auch die rasante Verbreitung des Internets, mit seinen wöchentlich neu zu lernenden begriffen hat die schleichende Umgestaltung meiner Muttersprache erfolgreich verhüllt. Erst als ich letztens einkaufen war und mein Blick zufällig auf eine Tabelle auf der Seite einer Müslipackung fiel, glaubte ich meinen Sinnen nicht zu trauen.
Da, wo sonst immer NÄHRWERTANGABEN stand, prangte nun ein Wort auf der Packung, dessen Sinn mir bis heute verschlossen ist:
ERNÄHRUNGSNAVIGATION. Komischerweise schmeckt mir Muesli jetzt auch nicht besser oder schlechter als vor der neuen Begrifflichkeit.
Hinweise zur Bedeutung eben dieses Wortes nehme ich gerne entgegen.
Im Zuge der Verbreitung des Internets ist es nicht verwunderlich, wenn gewisse Begriffe Einzug in eine Sprache finden, der sie nicht entstammen.
"Download" ist da ein Paradebeispiel. Derivate davon sind eher als Schwachsinn abzutun.
"Ich habe gestern meinen ersten Download gemacht." Äusserst unglaubwürdig, aber durchaus ein Satz, in dem das neudeutsche Wort Download Sinn ergibt. "Gestern hab ich mir die neue CD von Madonna gedownloadet." ist dagegen völliger Quatsch. Die Paarung von Anglismen und deutscher Grammatik ist eine Vergewaltigung beider Sprachen und wer so dämlich ist für "gedownloadet" nicht "heruntergeladen" zu benutzen, der sagt mit Sicherheit auch "relaxen", wenn er entspannen meint.
Es kann sein, daß ich in diesen Dingen zu empfindlich bin und ein "downshifting" meinerseits angeraten ist.
Vielleicht sollte ich dahingehend meinen Psychoanalytiker konsultieren und mit ihm in einem meeting mal brainstormen, wie ich ein wenig chilliger draufkomme, um nicht final von diversen, streßbedingter, Intoleranzen dahingerafft zu werden.
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